Im Gespräch
Prof. Dr.-Ing. Heiko Spekker ist Professor für Wasserbau an der Hochschule Bremen und war zuvor bis 2022 als Fachbereichsleiter Wasserbau und Küsteningenieurwesen bei Inros Lackner tätig.
Welche besonderen Herausforderungen begegnen Bauingenieuren beim Bauen am und im Wasser im Vergleich zu Bauprojekten an Land?
Bei Wasserbauprojekten können z.B. Wasserstände, Strömungsgeschwindigkeiten, Wellenhöhen, Eis, etc. eine wesentliche Belastungsgröße darstellen. Die genaue Ermittlung der Randbedingungen für die Bemessung (u.a. Bemessungswasserstände, maximale Strömungsgeschwindigkeiten, signifikante Wellenhöhe, Grundwasserstände) ist von großer Bedeutung. Auch Erosions- und Sedimentationsprozesse sind oftmals im Flussbau, Hafenbau oder Küstenschutz zu analysieren. Bauteile sind den Umgebungsbedingungen, wie wechselnden Wasserspiegellagen, Geschiebe in Fließgewässern oder chemischen Angriffen z.B. durch Meerwasser, belastetes Grundwasser oder Abwasser, ausgesetzt. Höhere Expositionsklassen, eine erhöhte Betondeckung und eine Beschichtung von Stahlwasserbauteilen helfen dann bei der Vermeidung oder Verringerung von Korrosionserscheinungen und bei der Sicherstellung der Dauerhaftigkeit der Bauteile.
Was erfordert diese Komplexität, damit Projekte erfolgreich umgesetzt werden?
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist in allen komplexen Projekten sinnvoll und meist erforderlich. Im Wasserbau bedeutet dies oft die Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten des Bauingenieurwesens, aber eben auch mit Experten aus den Bereichen Umweltingenieurwesen, Landschaftsarchitektur, Architektur, Biologie, Ökonomie oder Sozialwissenschaften. Während meiner Tätigkeit bei Inros Lackner habe ich regelmäßig mit interdisziplinären Teams zusammengearbeitet, die durch Vielfalt in Geschlecht, Nationalität und Generation geprägt waren. Davon habe ich in meinen Projekten immer sehr profitiert.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Koordination und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Stakeholdern wie Behörden, Umweltexperten und der betroffenen Bevölkerung?
Die Auswirkungen von Projekten auf Menschen und Umwelt werden im Rahmen der Planung im Vorfeld der Plangenehmigung oder Planfeststellung betrachtet. Dies kann zu Vermeidungs- oder Verminderungsmaßnahmen bzw. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen führen. Sehr häufig müssen dabei gegenseitige Interessen betrachtet und abgewogen werden, was zu langen Planungs- und Genehmigungsprozessen führen kann. Eine frühzeitige Information und Kommunikation sowie Bürger- und Trägerbeteiligung können helfen, die Betroffenheiten rechtzeitig zu ermitteln und ggf. spätere Klagen zu vermeiden.
Welche Entwicklungen und Trends erwarten Sie im Wasserbau insbesondere im Kontext der zunehmenden Urbanisierung und des Klimawandels in den nächsten Jahren?
Nicht zwingend in Deutschland, aber weltweit liegen viele Megacities im Küstenraum. Der prognostizierte globale und regionale Meeresspiegelanstieg oder Änderungen des Niederschlags- und Sturmverhaltens werden hier viele urbane Gebiete vor noch größere Herausforderungen stellen. Das kann u.a. die Entwässerung, aber auch den Hochwasserschutz betreffen. Anpassungsprojekte werden also eine große Rolle spielen, um dem Klimawandel zu begegnen. Da können aus wasserwirtschaftlicher Sicht Schwammstadtkonzepte helfen, die Regen- und Oberflächenwasser wie in einem Schwamm speichern und in trockenen Phasen wieder abgegeben. Auch hochwasserangepasste Bauweisen, schwimmende Konstruktionen und mögliche Rückzugsstrategien werden zunehmend relevant.
Wie können Initiativen wie der „Blue Deal“ der EU dazu beitragen, Wasserwirtschaft und nachhaltige Entwicklung besser zu verknüpfen?
Alle Initiativen, die sich mit einer nachhaltigen Wasserwirtschaft und entsprechender Bewirtschaftung von Wasservorräten beschäftigen, sind zu begrüßen. Wenn sich nun Abgeordnete im EU-Parlament überparteilich für Wasser als grundlegende Ressource einsetzen, ist das gut. In diesem Sommer wurde eine Dürre und Wasserknappheit in Süditalien gemeldet. Auch in Deutschland haben wir zuletzt extrem trockene Jahre verzeichnet. Zugang zu Wasser wird für Menschen, Umwelt, Landwirtschaft und Industrie vor dem Hintergrund des Klimawandels wichtiger werden, sodass verstärkt Investitionen in eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung erfolgen sollten.