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Planungen für den Hochwasserschutz

Die Erinnerungen an das Jahrhunderthochwasser in Thüringen sind präsent, ebenso wie der Schutz der Bevölkerung vor neuen Hochwassergefahren. Aktuell wird das Hochwasserrückhaltebecken Straußfurt modernisiert. Seit der Inbetriebnahme im Jahr 1961 spielt das Bauwerk eine entscheidende Rolle im Hochwassermanagement der Einzugsgebiete von Gera und Unstrut in Thüringen.

 

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Nachhaltige Bauweise und mehr Hochwassersicherheit: Planungen zur Optimierung des Hochwasserschutzes und Vorsorge gegen Starkregen haben in Thüringen eine hohe Priorität. Im Ergebnis der Überprüfung und Bewertung des Bauzustands des Hochwasserrückhaltebeckens sowie eines umfassenden Sicherheitsberichts wurden Inros Lackner und Tractebel Hydroprojekt GmbH beauftragt, das Hochwasserschutzbauwerk in Straußfurt zu modernisieren und damit an die aktuellen Anforderungen anzupassen. Ziel des Gesamtvorhabens mit insgesamt neun Teilobjekten ist es, das Stauziel um 1 Meter und den gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraum um 10 Millionen Kubikmeter zu erhöhen. Die bestehende Anlage hat bei einem Vollstau ein Volumen von etwa 18,6 Millionen Kubikmetern. Dazu sind umfangreiche Maßnahmen an bestehenden und neu zu errichtenden Dämmen, an den Schöpfwerken sowie am Herz der Anlage - dem Abschlussbauwerk - geplant. Mit der Realisierung des neuen Abschlussbauwerks ist Inros Lackner beauftragt. Eine besondere Herausforderung stellt die Alkali-Kieselsäure-Reaktion im Beton des Abschlussbauwerks dar, die unaufhaltsame Dehnungsprozesse verursacht und damit Schäden am Bauwerk hervorruft. Dies macht den Ersatz eines Teilobjekts notwendig – einer vierfeldrigen Wehranlage aus Stahlbeton, ausgestattet mit beweglichen Doppelhakenschützen. Diese Anlage ist in den Hauptdamm integriert und reguliert den Abfluss der Unstrut. Angesichts der komplexen hydraulischen und baulichen Bedingungen wurden besondere Schwerpunkte bei der Planung und Ausführung gesetzt, um den Anforderungen gerecht zu werden.

 

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Bautechnologie und hydraulische Randbedignungen: Der Ersatzneubau des Abschlussbauwerks stellt hohe Anforderungen an die Bautechnologie und -ausführung. Die Funktionsfähigkeit des Hochwasserschutzes ist während der gesamten Bauzeit sicherzustellen. Der Neubau erfolgt am bestehenden Standort, wobei das Betriebsregime der Wehranlage aufrechterhalten wird, um den Abfluss der Unstrut zu gewährleisten.

Für die Dauer der Bauarbeiten wird eine aufwendige Hilfskonstruktion für den Baugrubenverbau benötigt. Eine Stahlspundwand soll die bauzeitlich anstehende Wassersäule von bis zu 11,6 Metern bei BHQ1 abfangen. Schrägsteifen, verbunden mit einem Pfahlbock und je zwei senkrecht in den Boden verlaufenden Mikropfählen, leiten die Kräfte in den Untergrund ab. Der Wasserzustrom in die Baugrube wird durch ausreichend tiefe Einbindungen bis in den Keuperhorizont minimiert. Die Gesamtanlage wird in zwei Bauabschnitten hergestellt.

„In Zukunft werden uns Aspekte wie Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in der Planung unserer Konstruktionen noch tiefgreifender beschäftigen. Genau diesen Themen widmen wir uns ganzheitlich innerhalb dieses Projektes. Standortübergreifend nutzen wir dafür unser ganzes Know-how, um für die Menschen und die Umwelt den bestmöglichen Projekterfolg zu erzielen.” (Jördis Wünsche, Fachbereichsleiterin Wasserbau)

 

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3D-Numerik: Ein massives Tosbecken, das unterwasserseitig an die Wehranlage anschließt, baut die kinetische Energie des abfließenden Wassers ab und beruhigt die Strömung. Zur Herstellung einer hydraulisch effizienten und wirtschaftlichen Konstruktion wurden 3D-hydronumerische Berechnungen verschiedener Tosbeckenvarianten und Lastfälle mit dem Programm FLOW-3D durchgeführt. Im Ergebnis kann durch die Anordnung von zwei Störsteinreihen eine Verkürzung der Konstruktion gegenüber den analytischen Annahmen und eine optimale Energieumwandlung mit einer gleichmäßigen Abgabe in das Unterwasser, auch bei hohen Abflüssen, erreicht werden.

 

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„Die Realisierung des neuen Abschlussbauwerks unter Teileinstau und bei gleichzeitiger Gewährleistung des Hochwasserschutzes gleicht einer‚ Operation am offenen Herzen‘. Einzigartig an diesem Projekt ist, dass die Baugrubenumschließungen der beiden erforderlichen Bauabschnitte zugleich integrale Bestandteile der Stauanlage sind. Dies erfordert ein präzises Zusammenspiel zwischen Tragwerksplanern, Hydraulikern, Baugrundexperten und Objektplanern.“ (Stefan Buhr, Projektleiter)

 

Nachhaltigkeit und Lebenszyklusanalyse: Neben den Herstellungskosten, dem späteren Unterhaltungsaufwand und der Dauerhaftigkeit der Konstruktion spielte auch der Ressourcenverbrauch über die gesamte Lebenszeit des Bauwerks eine entscheidende Rolle für die Planung. Zur ganzheitlichen und langfristigen Betrachtung des Bauwerkes wurde deshalb eine Lebenszyklusanalyse (LCA) verschiedener Vorplanungsvarianten durchgeführt. Mit dem berechneten CO2-äquivalent für die Flügelwände, die seitlich des Wehrbauwerks in den Hauptdamm einbinden, konnte die unter baulichen, wirtschaftlichen und nachhaltigen Gesichtspunkten beste Variante in der Vorplanung identifiziert werden. Das anspruchsvolle Wasserbauprojekt, der Ersatzneubau des Hochwasserrückhaltebeckens Straußfurt, ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Hochwasserschutzes in Thüringen.